„Manche erkennt man nach drei Jahren kaum wieder.“

Martina Marek reflektiert über ein Vierteljahrhundert engagierter Wohnraumarbeit und spricht über ihre Wünsche für die Zukunft.

Martina Marek steht in einem hellen Gang leicht an die Wand gelehnt. Im Hintergrund sind einige Gemälde zu sehen.

Im Interview mit Martina Marek, Bereich Wohnen

Seit 25 Jahren prägt Martina Marek die Wohnraumarbeit des Studierendenwerks Osnabrück. Im Gespräch blickt sie zurück – auf herausfordernde Entwicklungen, mutige Entscheidungen und bewegende Geschichten. Und sie schaut nach vorn: mit klaren Wünschen, viel Erfahrung und einem unerschütterlichen Vertrauen in junge Menschen.

Frau Marek, 25 Jahre sind eine beachtliche Wegstrecke. Was ist Ihnen aus dem letzten Jahr ganz besonders in Erinnerung geblieben?
Ein Fall hat mich sehr bewegt: Nach langem Ringen mussten wir ein Mietverhältnis mit einer schwer suchtkranken Person beenden – gegen unseren Wunsch, aber aus Verantwortung. Monate später meldete sich dieser Mensch und bedankte sich. Es sei seine letzte Chance gewesen. Solche Rückmeldungen sind selten, aber sie zeigen: Manchmal sind es gerade die schweren Schritte, die helfen. Gleichzeitig haben die explodierenden Energiekosten viele Sorgen bereitet. Wir mussten die Mieten zweimal erhöhen – ungewöhnlich, aber notwendig. Zum Glück mit viel Verständnis von Seiten der Mietenden.


Bei aller Belastung – wie gelingt Ihnen dieser offene Umgang mit schwierigen Themen?
Transparenz ist entscheidend. Wir erklären, warum etwas passiert – und das wird in der Regel verstanden. Natürlich hatten wir Bedenken: Können sich die Studierenden das noch leisten? Aber es war schön zu sehen, dass das Vertrauen in unsere Arbeit da ist. Insgesamt hatten wir rund 3.200 Bewerbungen und konnten etwa 1.350 Mietverträge neu vergeben. Der Bedarf ist deutlich höher als unser Angebot.

Gerade internationale Studierende stehen oft besonders unter Druck. Wie erleben Sie das?
Viele Free-Mover – also Studierende außerhalb offizieller Austauschprogramme – kommen mit ganz anderen Erwartungen. In ihren Herkunftsländern ist ein Wohnplatz meist selbstverständlich, wenn man studiert. Bei uns ist das nicht so. Wenn dann möblierte, bezahlbare Zimmer fehlen, wird es schwierig.

Wir unterstützen, wo wir können – aber wir können nicht alle Hürden aus dem Weg räumen.

Und wie funktioniert das Zusammenleben, wenn viele Kulturen aufeinandertreffen?
Überraschend gut. In 95 Prozent der Fälle erleben wir ein respektvolles Miteinander. Junge Menschen sind offen und lernbereit. Wenn es mal hakt, helfen Gespräche, Tutor*innen oder manchmal einfach ein Putzplan. Wichtig ist, dass man Dinge anspricht. Dann findet sich meist ein guter Weg.


Und in den restlichen fünf Prozent?
Da wird es anspruchsvoller. Unsere Hausmeister fangen viel ab – auch emotional. Aber das sind keine Sozialarbeiter. Deshalb wünsche ich mir professionelle Unterstützung: Menschen mit psychologischem oder pädagogischem Hintergrund, die ansprechbar sind, bevor Konflikte eskalieren. Das wäre gerade in Wohnanlagen mit hoher Internationalität ein großer Gewinn.

Wenn Sie sich etwas wünschen dürften: Wie sollte sich das studentische Wohnen insgesamt entwickeln?
Mehr Plätze, bezahlbar und möbliert – aber vor allem gemeinschaftlich. Der Trend zum Einzelapartment macht mir Sorgen. Dreier- bis Vierer-WGs mit guter Ausstattung fördern das soziale Miteinander. Und auch die Mischung ist wichtig: Unsere Wohnanlagen sind inzwischen zu etwa 40 Prozent international belegt. Viele dieser Studierenden wünschen sich bewusst deutsche Mitbewohner*innen – für Sprache und Kultur. Diesen Wunsch können wir nicht immer erfüllen. Es braucht eine Balance. Ebenso wäre es wichtig, dass mehr Geld in die Sanierungen bestehender Wohnanlagen fließt.

Unsere Häuser sind schön, mit tollen Wohnungen und Zimmern, sie benötigen aber energetische Modernisierung.

Frau Marek, Sie wirken zufrieden.
Ja, das bin ich. Ich hatte nie das Gefühl, woanders würde das Gras grüner wachsen. Und wenn man miterlebt, wie junge Menschen hier ankommen – leise, unsicher – und drei Jahre später als reife Persönlichkeiten weiterziehen, dann weiß man: Deine Arbeit stiftet Sinn.